Genese und Entwicklung der Motivation in der Drogentherapie

1. Einleitung

„In der Emder Drogenzene hat es den ersten Todesfall gegeben“ berichtet die EMDER ZEITUNG  in ihrer Ausgabe vom 17. Dezember 1982 unter dickgedruckter Schlagzeile. Der 20 jährige Peter B. aus Larrelt starb im Städtischen Krankenhaus an den Folgen einer Überdosis Tabletten. Zwei weitere vergiftete Jugendliche wurden ebenfalls im Krankenhaus behandelt. Peter B. soll am Mittwochabend in der Toilette einer Kneipe in der Emder Innenstadt 15 Tabletten eines starken Schmerzmittels genommen haben. Auch ein 19-jähriger Junge und ein junges Mädchen nahmen dort Tablettten ein. Als sie entdeckt wurden, ließ man sie sofort ins Krankenhaus bringen. Dort wurde ihnen der Magen ausgepumpt. Bei dem 20-jährigen kam jede Hilfe zu spät. Der 19jährige, der nur geringe Mengen der Droge eingenommen hatte, konnte das Krankenhaus schon wieder verlassen. Über den gesundheitlichen Zustand des Mädchens war gestern nichts zu erfahren.  Der 20jährige war den Behörden nicht unbekannt. Er unterstand der Jugendgerichtshilfe. Wegen seiner Sucht war er bereits mehrfach in Behandlung. Bei den Tabletten handelte es sich vermutlich um das  Medikament ‚Medinox‘.“

Ich habe Peter B. gekannt. Wie die beiden anderen gehörte er zu einer kleinen Clique Emder Jugendlicher, in ‚Scene‘- Kreisen  abfällig ‚Koma- Gang‘ genannt. Täglich ‚hingen‘ sie in irgendwelchen Kneipen (‚Sailors‘, ‚Appelboom‘, ‚Holtenpoort‘ u.a. ) herum, wo sie sich oftmals schon vormittags mit Alkohol, ‚Trips‘, Tabletten und ‚Dope‘ ‚tierisch volldröhnten. Peter B.’s Tod, eher Unfall als Absicht, führt uns mitten hinein in eine Problematik dieser Arbeit, die Motivierung jugendlicher und heranwachsender Drogenabhängiger zu einer Therapie.

1.1. Was sind Drogen?

Während der Beschäftigung mit dem Thema wurde mir deutlich, wie unklar und unterschiedlich der Begriff „Droge“ im deutschen Sprachgebrauch verwandt wird.

„Das Wort Droge ist, obwohl dem Französischen entlehnt, niederdeutschen Ursprungs. ‚Dröge‘ bedeutet trocken. Das Trocknen macht verwesliche Naturprodukte haltbar, Nahrungsmittel wie Heilmittel. Eine einfache Form ‚Drogen‘ zu gewinnen ist, die verweslichen Pflanzenteile zu sammeln, zu tr0cknen und zu pulverisieren.“ (BINIEK, 1982, S.5).

„Heute zucken wir bei dem Wort ‚Drogen‘ zusammen. In unserer Umgangssprache wurde dieses Wort zum Kennzeichen für böse, gefährliche, zerstörende  und vor allem für verbotene Stoffe.  Beim Wort ‚Droge‘ denken wir nicht an die Tausende von Arzneimitteln, denken wir weder an Nikotin noch an Coffein, ja nicht einmal an Alkohol“ (SÜLBERG, 1980, S.312).

Diese Tendenz zur Verharmlosung der Auswirkungen der gesellschaftlich tolerierten Drogen sieht auch die BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG, denn sie schreibt (1980, S.5): „Der Drogenbegriff darf nicht zu eng gefasst werden. Früher galten nur bestimmte natürliche Produkte als Drogen. Heute verstehen wir darunter alle Substanzen, die in die natürlichen Abläufe des Körpers eingreifen und vor allem unsere Stimmungen, Gefühle, Wahrnehmungen beeinflussen. Drogen sind also nicht nur die sogenannten Rauuschmittel (z.B. Haschisch, LSD, Heroin), sondern auch alle Arznei- und Giftstoffe sowie Alkohol und Nikotin“.

FESER (1981) unterscheidet Cannabis (Haschisch und Marihuana), Halluzinogene (LSD, Meskalin, Psilocybin, DOM, STP u.a.), Stimulantien (Pervitin, Ritalin, Benzidrin, AN 1, Rosimon-Neu, CAptagon u.a.), Schnüffelstoffe (organische Lösungsmittel in Klebstoffen, Reinigungsmitteln, Sprays), Schlaf- und Beruhigungsmittel (Tranquilizer: Valium u.a.;  Methoqualone: Mandrax u.a.; Barbiturate), Schmerzmittel (leichte: Thomapyrin, Optalidon u.a., starke: Valoron), Opiate (Opium, Morphium, Heroin, Chiradon, Doalntin, Polamidon), Alkohol, Nikotin (Zigaretten, Zigarren) und Kokain (Blätter des Kokastrauches, weißes, bitter schmeckendes Pulver).

Grundsätzlich kann jede dieser Drogen durch Veränderung von Anwendungsart, Menge und Einnahmegrund mißbraucht werden, wobei ich wie SICKINGER (1982, S.) aber nur dann von Drogenmißbrauch sprechen will, „wenn die Einnahme von Drogen für den Menschen persönliche und soziale Probleme zur Folge hat und das Individuum darin beeinträchtigt, mit seinem Leben zurecht zu kommen“.

Aber nicht nur „Chemie und Pharmalogie der Droge und deren Dosis“ bestimmen die Wirkungen, sondern vor allem auch „die allgemeine Situation, die Persönlichkeiten, die Stimmungslagen und die Erwartungshaltungen der Konsumenten“ (HACKER, 1981, S.30).

Bleibt zu sagen, dass Drogen geschluckt, getrunken, geschnupft, geraucht, inhaliert oder gespritzt werden, und dass die Einteilung in legale, illegale und verschreibungspflichtige Drogen das ganze Problem noch zusätzlich verkompliziert.

Fortsetzung folgt

 

 

 

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