Drogensucht – Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?
Das Thema „Droge“ ist uralt. Schon immer hat man sich berauscht. In Deutschland hat jeder vierte Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 Jahren (26,5 %) schon einmal illegale Drogen ausprobiert.
Von Jörn Pfeiffer, Mitarbeiter im Leitungsteam der Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V.
Psychische Erkrankungen durch Cannabis
Ein Gespräch mit dem Essener Kriminalhauptkommissar Dietmar Schneider, zuständig für den Bereich BTM-Delikte, zeigt, was uns in den nächsten Jahren erwarten könnte:
„Es ist festzustellen, dass die herkömmlichen Suchtmittel wie z.B. Heroin und Kokain rückläufig sind. Insbesondere der Konsum von Marihuana („Gras“), weniger Haschisch, nimmt zu. Früher hatten die Cannabis-Pflanzen einen THC-Wirkstoffgehalt von 4 – 8 %. Mittlerweile misst man einen THC-Gehalt von bis zu 25%. Wie man dann der Pflanze ihren Wirkstoff entzieht, kann man sich im Internet auf ´Youtube‘ im Detail erklären lassen. In Essen wird fast jeden Monat eine Plantage hochgenommen – weitenteils in privaten Wohnungen. Und die Optimierung der Cannabispflanzen geht weiter: Durch Genmanipulation, 100% weibliches Saatgut, Züchtung von resistenten Outdoor-Pflanzen und guter Düngung erreicht man wesentlich höhere Erträge. Die vermehrte Behandlung mit Pestiziden steigert gleichzeitig das Krebsrisiko des Konsumenten. Insbesondere jüngere Menschen ‚sind auf‘ Cannabis und Amphetaminen und weniger auf den klassischen Suchtmitteln Heroin und Kokain. Das Einstiegsalter bei Cannabis liegt schon bei 10 Jahren.“
Leider wurde dem Thema Droge und Sucht in den letzten Jahren von allen politischen Parteien immer weniger Bedeutung beigemessen. Welche Auswirkungen sind für unsere Gesellschaft zu erwarten? Die Polizei Essen arbeitet eng zusammen mit der Uniklinik Essen, die eine „Cannabis-Ambulanz“ für Jugendliche eingerichtet hat. Kriminalhauptkommissar Schneider rechnet mit einer riesigen Welle von psychisch kranken Jugendlichen. „Wenn Cannabis in der Jugend geraucht wird, gibt es irreversible Schädigungen. Die Gehirnentwicklung von Jugendlichen reicht bis in die späte Pubertät. Die Hirnsynapsen werden dann nicht mehr verknüpft, was zu kognitiven Defiziten und einem vermehrten Auftreten von Depressionen und Epilepsie führt“ erklärt Beate Lutz vom Institut für Physiologische Chemie der Universität Mainz (in: ZEIT Wissen Nr. 3,2012).
Neuste Trends
Die Analyse des Drogenmarktes wird erschwert durch ständig neue psychoaktive Substanzen – chemisch oder natürlich- die die Wirkung verbotener Drogen nachahmen. Über das EU-Frühwarnsystem wurden 2013 fast wöchentlich Meldungen über neue Substanzen erfasst. Neueste Trends stellen die angeblich legalen Alternativen unter der Bezeichnung „Legal Highs“, „Designerdrogen“ oder „Research Chemicals“ dar. Ohne Angabe der tatsächlichen Inhaltsstoffe werden sie als Kräuter- und Räuchermischungen, Badesalze, Lufterfrischer oder Pflanzendünger (z.B. „Spice“,“Smoke“, „Sence“. „Maja“) verpackt und meist online in den Verkehr gebracht. Der Konsument ahnt nicht, dass diese Produkte eine schwere, mitunter lebensgefährliche Intoxikation zur Folge haben können. Das Problem: Zuerst müssen die neuen Substanzen vom LKA erfasst und analysiert werden, bevor sie als „illegale Drogen“ deklariert werden können. Schon kleine Veränderungen der chemischen Formeln erfordern eine erneute Analyse. Das klassische „Hase- und Igel-Spiel“- die Drogenmafia ist immer einen Schritt voraus. Die psychoaktiven Substanzen werden nach bisheriger Erkenntnis maßgeblich im asiatischen Raum produziert. Zahlreiche Internetseiten sowie eine Vielzahl von Sicherstellungen deuten auf eine Industrie hin, die die westlichen Märkte gezielt mit Rauschsubstanzen beliefert. Laut Spiegelbericht (vom 25.04.2013) wurden 2012 erstmals mehr Menschen mit der Droge „Crystal“aufgegriffen als mit Heroin – das entspricht einer Steigerung von 51% zum Vorjahr. Im Wesentlichen wird das extrem süchtig machende „Crystal (Meth)“ zur Steigerung der Leistungsfähigkeit konsumiert. Schon im 2. Weltkrieg wurde „Crystal Speed“ oft als (angeordneter) Wachmacher von der deutschen Wehrmacht eingesetzt. Derzeit ist die Verbreitung von Methamphetaminen („Crystal“) im Wesentlichen auf die deutsch-tschechische Grenzregion begrenzt. Die Heroinersatzdroge „Krokodil“ kommt aus Russland und wird u.a. aus Kodein, Benzin, Phosphor und Schwermetallen gemischt. Sie kann sehr kostengünstig produziert werden und der tödliche Cocktail zerstört den Körper der Süchtigen in kürzester Zeit (aus: www.Spiegel/Panorama/Justiz).
Legal
Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass die legalen Drogen das Problem Nr. 1 darstellen. „Allein die Kosten von Alkohol- und Tabaksucht belasten die deutsche Wirtschaft jährlich mit etwa 60 Mrd. Euro“, schätzt der Vorstand des AOK-Bundesverbandes, Uwe Deh (aus „Rheinische Post vom 23.08.2013). Der Fehlzeiten-Report 2013 der AOK zeigt auf, dass die Zahl der durch Suchtkrankheiten verursachten Arbeitsunfähigkeitstage von 2002 bis 2012 um 17% stieg, während die Zahl an Fehltagen wegen physischer Erkrankungen sinkt. Die Zahl der stationär wegen Alkoholvergiftung behandelten Kinder und Jugendlichen steigt jährlich. Die unbedenklichen Trinkmengen werden von über 9,5 Millionen Bundesbürgern überschritten. An die direkten und indirekten Folgen ihres Alkoholkonsums versterben pro Jahr 74000 Menschen. Tabakkonsum verkürzt das Leben um durchschnittlich etwa 10 Jahre. Mit etwa 110000 Todesfällen pro Jahr stellt das Rauchen damit das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland dar. Mehr als die Hälfte aller regelmäßigen Raucher stirbt vorzeitig an Lungenkrebs, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer anderen Atemwegerkrankung. Schätzungen gehen in Deutschland außerdem von bis zu 1,9 Millionen Menschen mit Medikamentenabhängigkeit aus. Gegenüber den Todesfällen durch Alkohol und Nikotin erscheint die Zahl der 944 Drogentoten durch illegale Drogen in 2012 fast verschwindend gering. Woran auch immer sich das Problem zeigt: Unsere Gesellschaft wird sich einer dramatischen Welle von Menschen mit suchtbedingten psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen stellen müssen.
Alternativen
Dazu brauchen wir Alternativen. Wir brauchen Werte, die die Lebenssinn-Frage beantworten und über das Diesseits hinausgehen. Antworten, die nicht mehr zu Ausflüchten zwingen. Und wir brauchen unkonventionelle Hilfen, die weiter reichen als die Substitution der Abhängigen. Unser Glaube motiviert uns dazu, in einen Menschen zu investieren. Auch wenn wir nicht für jedes Problem eine Antwort finden, wissen wir doch, dass Gott Menschen verändern kann. Bei Ihm findet Wertschätzung von bleibendem Wert statt – weil Er seine Geschöpfe bedingungslos liebt. Nur so kommen die Sehnsüchte zur Ruhe.
In diesem Sinn wollen wir als Gefährdetenhilfe Scheideweg Menschen in den vielen Kontaktgruppen und in unseren Wohngemeinschaften eine Perspektive aufzeigen und konkrete Hilfe anbieten.
Zahlen und Fakten sind – soweit nicht anders gekennzeichnet – dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung von Mai 2013 sowie dem REITOX-Jahresbericht 2012 der DBDD (Deutsche Drogenbeobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) entnommen.
Aus dem vierteljährlich erscheinenden Rundbrief 3/2013 der Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V., Unterscheideweg 1-3, D-42499 Hückeswagen, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion