Sinéad O´Connor – NOTHING COMPARES TO YOU

Gepostet von Joe Wittrock um 10:24

Ein Vorab-Auszug aus dem Roman „DER RETTER“ von Hans-Jürgen Trabert   

www.Hans-Juergen-Trabert.de 

Ich bin ungewollt schwanger. Es war eine heftige Technoparty. Ecstasy durch Tag und Traum. Start früher Nachmittag. Zig DJs legten auf. Nach dreizehn Stunden habe ich keine Lust mehr auf Dröhnung. Mein one night stand auf was anderes. Nicht mal eine Adresse habe ich von ihm. Ungläubig halte ich mir meinen Mutterpass vor meine Augen. Und entscheide mich. Der Friseur hält mich für verpeilt. Deine Rastalocken abschneiden? Bis auf die Kopfhaut! Schwanger mit Glatze. Das ist doch was.

Tage tickern. Dem Embryo läuft die Zeit davon. Ich bin zerrissen zwischen Ja und Nein. Mutterpass zerreißen oder lieben. Offensiv gehe ich an die Sache ran. Ich rufe meinen Papa an. Breite ihm die ganze Geschichte aus. Mein Papa ist Sozialarbeiter in einem Kinder- und Jugendheim. In bedächtiger Ruhe erzählt er mir von Miriam. Miriam ist mit sechzehn ungewollt schwanger. Auf gar keinen Fall will sie in ihrer Perspektivlosigkeit ein Kind. Und schon gar nicht von diesem Kerl. Die Ärztin klärt Miriam sorgsam auf. Miriams Entschluss steht. Mein Papa besucht Miriam nach ihrem Schwangerschaftsabbruch und erkennt sie nicht wieder. Ihr letzter Rest von Lebensmut hat sie verlassen. Miriam ist verstrickt in unheilvolle Selbstgespräche, schwarze Raben quälen ihre Wachträume, müde ihre geballten Fäuste. Ihre Ärzte sorgen sich. Miriam kehrt nicht ins Heim zurück. Ihre nächste Entwurzelung. Das Jugendamt weist sie in eine Psychiatrie ein. In Begleitung bringt mein Papa Miriam ihren kleinen Koffer. Sie quittiert, wendet sich ab, geht grußlos. Und verschwindet. Leider nicht die einzige, weiß mein Papa. Miriam sprach nie von Vergewaltigung, sondern von Demütigung. Letzte therapeutische Gesprächsnotiz über Miriam: „Ich verachte mich“.

Tagelang gehe ich auch mit Miriam schwanger. Und verstehe sie. Da wächst etwas an deinem missbrauchten Herzen, das du mit Zeugungsekel verabscheust. Eine andere Tür öffnete sich für Miriam nicht. Nothing. Nothing. Nothing hatte ein DJ gesplittert. Nothing ist für mich keine Antwort. ALL OR NOTHING wohl. Wie komme ich jetzt auf Small Faces? Die Lieblingsband von Papa. Wird mein Kind je einen Papa haben? Egal. Ich sage Ja zu dir in mir. Erster Schritt: Schluss mit Pusher. Zweiter Schritt: Schluss mit Fast Food. Dritter Schritt: Tschüss Selbstgedrehtes.

Mit Glatze fange ich unser neues Leben an. Ich will dich, mein vaterloses Kind. NOTHING COMPARES TO YOU. Mein Studium schaffen wir schon. Philosophie und Geschichte. Fürs Lehramt. Neue Lehrer braucht das Land. Nachts kann ich vor Mutterglück kaum schlafen. Morgens kotze ich. Und sorge mich um deine Gene, die dein namenloser Vater injiziert hat. Meine sind wunderbar. Heute habe ich dich Ultraschallmäßig gesehen. Du wirst ein Mädel. Superteam. Namen schwirren mir durch den Kopf. Die Auswahl treffe ich irgendwann. Ohne Fremdbeteiligung.

Meine Glatze steht mir super. Online bestelle ich THROW DOWN YOUR ARMS von meiner Glatzenfreundin. Sinéad goes Reggea. Und das als fette Doppel LP. Herrlich. Da könnte ich mir sofort eine Tüte bauen. Tue ich aber nicht. Aus Liebe zu dir, mein Kind. Es klingelt. Ein gepuschter Typ steht vor unserer Tür. Im Halbdunkel erkenne ich ihn. Dein Erzeuger. Ein kurzes Gespräch auf der Türschwelle, dann wimmle ich ihn ab. Wie konnte ich nur. Scheiß Ecstasy. Seit jener Nacht wechsle ich jeden Morgen meine Bettwäsche. Nach dem üblichen morgendlichen Kotzen zur Uni. Meine überschaubare Seminargruppe nimmt meine Glatze und Blässe kommentarlos wahr. Was, wenn ich denen erst stolz meinen Schwangerschaftsbauch präsentiere?

Zuhause gönne ich mir ein üppiges Bio Müsli mit fettarmer Bio Milch und einer Bio Banane. Ich bin auf dem Gesundheitstrip. Für dich und für mich. Am PC widme ich mich meinem Schwangerschaftstagebuch. Beim täglichen Schreiben fällt mir auf, wie gerne ich schreibe und meine Sprachmelodie gefunden habe. Abends lege ich meine Glatzenfreundin auf. Ähnlich Bob Marley ihre Magie. Aber ganz anders. Zur Rille schreibt Sinéad: „This record is dedicated to my little son. Before I formed you in your mother´s womb, I knew you“. Wie durchgeknallt der Name Ihres Sohns.

Na ja, ihre ganze Vita ist ziemlich abgefahren. Voller Höhepunkte und Tiefs. Erst Diva, dann brutal ausgepfiffen. Vor riesigem Publikum taumelt sie weinend von der Bühne. Dann Studium der Theologie, Beitritt zum Islam, psychiatrische Einweisung. Auf gar keinen Fall wähle ich das eine, noch das andere, noch das dritte. Vielleicht tritt sie ja demnächst mit Yusuf, ehemals Cat Stevens, auf. Der ist doch auch zum Islam konvertiert. Hoffentlich beide keine Taliban Unterstützer. Was die mit Frauen machen ist doch Abgrund. Dabei waren die Frauen in Afghanistan endlich richtig gut am Start.

Mein liebes Mädchen. Vielleicht nenne ich dich Ronja. Ich liebe die Bücher von Astrid Lindgren. Alle Kinder haben da ihren richtig eigenen Willen. Wärst du ein Junge, hätte ich mich auf Michel festgelegt. Ronja Räubertochter und Michel aus Lönneberga. Perfekte Geschwister. Aber nun mal eins nach dem Anderen. Erst einmal bist du dran. Ich denke über Taufe nach. Willst du diese Kirchennummer? Mit dieser Frage gehe ich heute schlafen. In mein frischbezogenes Bett.

Rita vertraue ich mich mit unserer Tauffrage an. Ihre Antwort eindeutig. Sie startet. Ein selbstgehäkeltes Taufkleid. Ihr Unikat für dich. Auch meinem Papa vertraue ich mich an. Er ist ja tief gläubig. Hat sich mit dreiundzwanzig bekehrt. Irgendwas mit The Doors, Drogen und einem Bibelspruch. Und entscheide mich für Ritas Unikat. Sinn deiner Taufe? Die Geburt eines Kindes ist ein Geschenk Gottes. Nun denn. Eltern antworten darauf, indem sie ihr Kind taufen lassen. Gott spricht in der Taufe seine Liebe zu, unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Ich lehne mich zurück. Geschenk ist wundervoll. Gottes Liebe klingt entspannt. Unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Ist doch freier Wille pur. Passt alles. So machen wir es, mein muttervolles Kind.

Als gute Nachtdrink einen Bio Kräutertee. Welch Wandlung. Vor dir hätte ich einen heftigen Rotwein getrunken. In meiner Küche bleibe ich vor meiner Pinwand stehen. Reisen ist besonders schön, wenn man nicht weiß, wohin es geht. Aber am allerschönsten ist es, wenn man nicht weiß, woher man kommt. Dich, lieber Laotse, hänge ich ab. Die Nacktheit der Frau ist weiser als die Philosophen. Du, lieber Max Ernst, bleibst.

2 Anmerkungen:

  1. Das Neue Testament kennt nur die Taufe von Gläubigen. Das heißt, wer sich taufen lassen will, muss an JESUS, den SOHN GOTTES glauben, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist und der alleinige Retter ist. Glauben ist eine absolut notwendige Voraussetzung zum Empfang der Taufe („Wer glaubt und …“ Markus 16,16; Apostelgeschichte 2, 38 – 41; „Wenn du von ganzem Herzen glaubst … Apostelgeschichte 8,37). Von daher ist die Säuglingstaufe keine ‚ordentliche Taufe‘, sondern bestenfalls eine Kindersegnung mit Wasser.
  2. Am gleichen Tag, als ich diesen Text zugesandt bekam, kam die news, dass Sineád O`Connor in eine Psychiatrie eingeliefert worden ist. Nach dem Tod ihres Sohns Shane, der sich im Alter von nur 17 Jahren selbst das Leben nahm, fühlte sie sich als „Versagerin“ und hatte für sich selbst beschlossen, ihrem geliebten Kind „zu folgen“. Möge JESUS ihr helfen. Joe

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