Rolling Stones – „TATTOO YOU“

Gepostet von Joe Wittrock um 07:33

Ein Vorab-Auszug aus dem Roman „DER RETTER“ von Hans-Jürgen Trabert   

www.Hans-Juergen-Trabert.de 

 

Mein erstes Tattoo setze ich mir im Jugendarrest. Eine Jugendsünde. Mit der Entlassung hasste ich diese drei Punkte auf meiner Haut. Im Knast halfen sie mir. Ich gehörte erkenntlich zur Gang. Jahre her. Heute fahre ich wieder ein. Für richtig lange. Unfassbare Zeit liegt vor mir. Alle Sozialprognosen habe ich in den Sand gesetzt. Mein Spiel ging nicht auf. Psychoidioten, Bewährungshelfer, Richterinnen im Handumdrehen verarscht. Dann habe ich mich spezialisiert auf Tabletten aus dem Osten. Irgendeine wohlige Mischung von irgendwas.

Der eine und andere Zahn fällt aus. Kürzlich vorm Spiegel beim Zähneputzen. Egal, weiterknutschen auf Pille. Wieder bleibt meine vertraute Erektion aus. Manchmal ist sie eine schmerzhafte Dauererektion. Dann tobt mein Unterleib. Auf mein Herz kann ich mich verlassen. Okay, der eine und andere Aussetzer. Mein Geschäft blüht. Einziger Dealer im Umkreis. Da bin ich doch wer. Sie begreift langsam. Immer nervöser und aggressiver sind seine nervigen Kunden. Neulich trat einer die Wohnungstür ein. Immer unzuverlässiger liefert er. Mein Eigenbedarf steigt. Statt verkaufen bunkern. Bei jener allerletzten Umarmung fühlt sie einen harten Gegenstand in ihren Rippen. Du trägst eine Waffe. Und schmeißt mich raus. Wissend von meiner Jugendsünde. Bewaffneter Raubüberfall. Beim Rausschmiss tragen wir zwei Ringe. Erst Verlobung. Dann Heirat. Zur Verlobung habe ich mir Love tätowieren lassen. Ewiger Armreif. Darauf war sie mächtig stolz. Ich auch, der es geschafft hat. Für immer und ewig. Die schönen Pillen änderten mich, unsere Liebe und alles. Nachdem ich meinen Ehering begraben habe, lass ich mir Hate setzen. Am rechten Handgelenk. Im Gefängnis bemühe ich mich um gute Führung. Man schaut durch mich. Trickser fliegen schnell auf. Blender müssen hier und da die Hosen fallen lassen und sich bücken. Kommt es ganz schlimm kollektiv. Das war schon immer so. Und heute noch viel heftiger. Im Knast gibt es Pillen und noch so vieles mehr. Gel im Haar und tätowierte Glatzen ganz oben auf. Willkommene Frischfleischspeisekarte. Erst die Harten, dann die Softies. So die Lustordnung. Beide stehen dann lieber in ihren Zellen. Sitzen unmöglich, liegen nur auf der Seite, auf dem Bauch gleich Speisekarte. Gnadenlos. Hier stehen alle unter Strom. Auch die Stillgelegten. Knast, Krokodile zu jeder Zeit und überall. Ich habe Glück. Plötzlich blinkt ein Angebot. Das Jesus Center bietet einen Bibelgesprächskreis an. Mittwochs 16.00 bis 17.30Uhr. Genehmigt nehme ich das Angebot an. Mit einer Bibel liege ich in meiner Zelle. Mein Zellenmitbewohner erklärt mich für verrückt. Was habe ich zu verlieren? Lange Zeilen kann ich nicht. Klagelieder und Psalmen schon eher. Irgendwie klicken die Bibelgespräche in mir. Inzwischen mehr als Zeitvertreib gegen die Langeweile. Auch mein Zellenmitbewohner fängt Feuer. Weil es mir irgendwie fröhlicher geht. Zwei Männer in einer Zelle lesen sich Psalmen vor. Wie durchgeknallt ist das denn? Unsere Verrücktheit gipfelt im gegenseitigen Vorlesen von Hiob. Unser Mantra gen vergitternden Himmel. Nach einer Ewigkeit werde ich entlassen. Mit Auflagen. Ich habe mich entschieden. Aus Hate mache ich Hope. a wird o, t wird p. Love and Hope. Ein guter Start. Im Rucksack meine Bibel.

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