In Memoriam Pat

Gepostet von Joe Wittrock um 20:43
Pat, der eigentlich Erich hieß, war nicht wesentlich älter als ich. Die Gründe seiner Unterbringung im Erziehungsheim in Börgermoor sind mir nicht bekannt. Nach seiner Entlassung aus der Einrichtung zeltete er zusammen mit seinem Kumpel Harry von April bis Oktober 1971 im Papenburger Stadtwald. Ich steckte damals mitten in den Abitur-Vorbereitungen, war aber oft bei ihnen, um ihnen aus der elterlichen Küche entwendete Lebensmittel zu bringen und mit ihnen eine Joint zu teilen. Als dann die Blätter fielen, entdeckten städtische Arbeiter das Lager und zerstörten es. Daraufhin bezog Pat ein kleines Zimmer im Dachgeschoss eines mehrstöckigen Hauses am Hauptkanal links, wo ihn aber alsbald Feldjäger der Bundeswehr aufspürten und in Handschellen mit sich nahmen. Nach einigen Monate war er wieder da, mit kurzgeschorenen Haaren, vorher hatte er eine schulterlange Matte.

Als Pat abends in einer Diskothek mitbekam, dass ich am nächsten Tag mit einem Firmenwagen meines Vaters nach Göttingen fahren wollte, wo ich zum Winter-Semester 1972/73 einen Studienplatz bekommen hatte, um mir ein Zimmer zu suchen, bat er mich, ihn bis Münster mitzunehmen. Das wäre ja nur ein kleiner Umweg, dort würde sein Vater wohnen, zu dem er seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr hatte und den er gerne einmal wiedersehen würde. Okay, kein Problem. Pat hatte sich für den Besuch ein frisches Hemd angezogen und wurde sichtlich nervöser, je mehr wir uns Münster näherten. Wir fanden einen Parkplatz in der Nähe der väterlichen Wohnung irgendwo am Stadtrand von Münster und ich begleitete ihn bis zur Haustür im Parterre eines größeren Wohnblocks. Pat klingelte, die Tür mit einer Kette gesichert, wurde einen Spaltbreit geöffnet. Einen Frauenstimme kreischte: „Dieter, dein Junge ist da!“ Dann wurde die Tür wieder zugeschlagen. Kurze Zeit später konnten wir hören, dass die Kette drinnen gelöst wurde. Die Tür öffnete sich erneut nur einen Spaltbreit, aus dem Spalt heraus schoss eine Faust und traf Patt mitten ins Gesicht. Während Pat rückwärts torkelte, Nase und Hemd blutüberströmt, fiel die Tür krachend wieder ins Schloss.
Unsere Wege haben sich danach getrennt, Pat wollte nach einem Freund schauen, der ganz in der Nähe wohnte. Später erfuhr ich von Harry, der ebenfalls aus Münster stammte, dass Pat sich an diesem Nachmittag am Aar-See seinen ersten Heroin-Schuss gesetzt hat. Nur einmal habe ich ihn noch wiedergesehen, in einer Junkie- WG in Amsterdam, zwei, drei Jahre später, mit einem weißen Kaninchen auf dem Schoß, schon reichlich vom Heroin gezeichnet.

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