Wie war das mit dem Starfighter?

Betrifft Dein Lebenszeugnis: Mitunter trägst du dick auf. Hast du tatsächlich einen Jagdbomber mit einem Firmenbulli gerammt? Kann ich kaum glauben ?!  Franz Wolf

 

Wenn Düsenjäger mit ohrenbetäubendem Lärm und nicht selten in weniger als 20 Metern Höhe über uns Kinder hinwegdonnerten,  im Tiefflug die Schallmauer durchbrachen, stockte jedes Spiel. Wir hielten uns die Ohren zu. Manche warfen sich zu Boden. Manche weinten. Der 30.01.1962 hat sich dann in mein Gedächtnis gebrannt. Ich war Schüler der 2. Klasse der Papenburger „Kirchschule“. Die Turnstunde war fast zu Ende, als auf einmal neben oder über uns Motorengeräusche zu hören waren und ein Flugzeug so dicht am Klassenzimmerfenster vorbeischoss, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht des Piloten sehen konnte. Es folgte eine laute Detonation und wir  stürzten die Treppe hinunter auf den Schulhof. Ich meine, dass der Schornstein der  Schule beschädigt war. Und dann sah ich Feuer und wie dichter Qualm aus einer Neubausiedlung, keine 300 Meter von der Schule entfernt, emporstieg. Ein Neubau  war total in Trümmer gelegt. Unter Einsatz seines Lebens hatte der englische Pilot  C.B. Barnes sein brennendes Düsenflugzeug gerade noch so an der Schule vorbeilenken können. Seine Leiche fand man 500 Meter weiter, der Rumpf seiner „Hunter“ hatte sich in den Neubau gebohrt. Eine Frau, die drinnen Gardinen aufhängte, kam wie durch ein Wunder mit einem Schrecken davon. Ein Passant wurde durch Trümmerteile verletzt. Und auch das Nachbarhaus und eine angrenzende Gärtnerei waren in Mitleidenschaft gezogen.Dennoch hat es Jahre gedauert, bis endlich die Tiefflüge über Papenburg Richtung Nordsee eingestellt wurden. Das kann ich an zahlreichen Zeichnungen sehen, die ich immer wenn die Düsenjäger zu hören waren während des Unterrichts in meine Hefte kritzelte. „Sky pilot ….sky pilot, how high can you fly, you never, never reach the sky “(Eric Burdon).

So, jetzt bin ich da, wo ich hinwollte: zur Ausstellung “Unsere Luftwaffe” 1976 auf dem Papenburger Marktplatz. Überall in der Stadt hingen großformatige Plakate, die auf diese Veranstaltung der Bundeswehr hinwiesen. Um ein großes Infozelt waren Spezialfahrzeuge, Panzer, Hubschrauber und Flugzeuge ausgestellt, darunter ein „Starfighter“, jener Jagdbomber, der bis in die 70er Jahre hinein serienweise vom Himmel fiel.

Vielleicht war mein damaliger immenser Drogenkonsum mit Schuld, jedenfalls war ich fest entschlossen, wenn sich diese Veranstaltung schon nicht mehr verhindern ließ, dann doch wenigstens ein deutliches Protestzeichen dagegen zu setzen. In meinen Kifferkreisen versuchte ich, Mitstreiter zu finden, stieß aber auf wenig echtes Interesse, etwas zu tun. Immerhin spendierten die einen oder anderen ein Pfeifchen oder einen Joint, und so war ich schon wieder reichlich stoned, als ich bei H. aufschlug. Der ältere H. wohnte nahe der Luftwaffenausstellung auf der anderen Seite des Kanals in einer geräumigen Oberwohnung. Da er immer eine offene Tür für junge Menschen hatte, waren neben etlichen anderen auch meine Freunde „Luzie“ und „Eule“ dort. Irgendwie herrschte dicke Luft zwischen H. und „Luzie“, denn sie diskutierten kontrovers und heftig,  – ich weiß aber nicht mehr, worum es ging. Ich nahm mir eine Flasche Bier und ließ mich in einen von H.´s  Sesseln fallen. Der Fernseher lief, während ich mein Bier leerte und  in das jetzt laufende Gespräch über Entwicklungen im Nahen Osten das Thema auf die benachbarte Luftwaffenausstellung zu bringen versuchte. Offensichtlich genervt von H´ s Ansichten, stand „Luzie“ auf und legte die Langspielplatte „Paranoid“ der „Black Sabbath“ auf den Plattenteller. Die LP  beginnt mit einem Stück, das „War pigs“ heißt:  „Generals gathered in their masses, just like witches at black masses. Evil minds that plot destruction, sorcerers of death‘ s construction. In the fields the bodies burning, as the war machine keeps turning ….” SCHAWUMM!  Ein Geist (ein Dämon?) fuhr in mich und ließ mich meine fast leere Bierflasche in Richtung Fernsehen schleudern. Die Bildröhre implodierte, als die Flasche am Bildschirm zerplatzte. Unbehelligt konnte ich die Wohnung verlassen. „Eule“ folgte mir auf dem Fuß.

Wir nahmen den im Hof geparkten VW- Bulli aus der Firma meines Vaters. Im Radio spielten sie „Jumping Jack Flash“ von den Stones: „I was born in a cross-fire hurricane …“ . „Eule“ zog nachdenklich an seiner selbstgedrehten Zigarette, als ich ihm meine Absicht eröffnete, mit dem Wagen den  Starfighter auf dem Marktplatz zu rammen. Er machte weder einen Versuch, mich von meinem Vorhaben abzubringen noch auszusteigen. Wir waren aber auch schon fast auf dem Ausstellungsgelände.

Der Wachposten am Eingang war so überrascht, dass er erst reagierte, als wir schon durch waren und den Jagdbomber dicht vor uns hatten. Plötzlich erinnerte ich mich, am Vortag Pistolen in den Halftern der Soldaten gesehen zu haben. JESUS! Was ist, wenn die schießen?  Im selben Moment wich die Power, die mich fernsteuerte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich abbremsen,  einlenken und auf demselben Weg, wie wir gekommen waren, den Platz wieder verlassen. War auch wohl besser so! This world doesn’t need another hero. Danke JESUS!

Bleibt zu erwähnen, dass ich aufgrund dieser Aktion eine Aufforderung bekam, meinen Führerschein abzugeben und erneut ins Landeskrankenhaus musste. Joe

 

2 Kommentare

  1. Franz Wolf sagt:

    Ja,auch ich kann mich noch gut an den 30.01.1962 erinnern, fast als wenn es gestern passiert wäre. Ihr wart im ersten Stock, das ist richtig. Nur dass du „für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht des Piloten“ gesehen haben willst, das kann doch nicht stimmen, wenn die Maschine ein paar Meter über euch den Schornstein touchiert hat? Magst du da bitte noch einmal drüber nachdenken!

    • Joe sagt:

      Well, well, well! Du hast recht. Es müssen sich zwei Ereignisse in meiner Erinnerung zu einem einzigen verwoben haben. Jahre später im Gymnasium an der Russellstraße, nicht weit von der Kirchschule in der Hermann-Lange-Straße entfernt, ist Papenburg erneut vor einer ähnlichen Katastrophe bewahrt worden. Ganz plötzlich donnerte ein Kampfflugzeug im Tiefflug so nahe an der Fensterfront unserer Klasse im ersten Stock vorbei, dass ich tatsächlich für einen Moment mit dem Piloten im Helm Blickkontakt hatte. Die linke Tragfläche seiner außer Kontrolle geratene Maschine hat unsere Fenster damals ja nur um eine oder zwei Armlängen verfehlt. Jahr, Monat und Tag dieses Vorfalls könnte ich leider nur eingrenzen. GOTT weiß!

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